America's Army

America’s Army – die wohl teuerste Freeware aller Zeiten. Dank eines Millionen-$-Budget der U. S. Army und der UT 2003-Engine könnt ihr jetzt hautnah miterleben, was es heißt, Mitglied der größten Streitmacht dieser Welt zu sein. Wie hautnah das ganze tatsächlich ist, wird sich im Laufe dieses Reviews zeigen. Das Spiel setzt wie gesagt auf die derzeit aktuelle UT-Engine und fordert daher von der Hardware einiges ab. Eine starke Grafikkarte und ein fixer Prozessor sollten auf alle Fälle im Mac stecken, da America’s Army sonst mehr einer Dia-Show als einem First-Person-Shooter gleicht. Ebenfalls eine nützliche Voraussetzung ist eine Flatrate oder ein besonders günstiger Internet-Tarif, da eine Online-Anbindung für das Spiel zwingend erforderlich ist. Man kann zwar die Trainingslevel offline spielen, aber wenn man sich nur darauf beschränkt, wird der happige Download zu einem kurzen Vergnügen von ein paar Stunden und man verpasst den eigentlichen Reiz des Spiels – die großen Kämpfe, wo es zehn gegen zehn heißt und tatsächlich nur der Stärkere und Klügere gewinnt.

Die Installation erfolgt so, wie man es sich unter OS X immer wünscht: Eine einzige Datei, die man vom Disk Image auf seine Festplatte kopiert, und das war’s. Bevor es allerdings mit dem Spielen losgehen kann, muss man sich auf der Homepage von America’s Army erst einen Account erstellen. Für die Registrierung werden lediglich eine gültige E-Mail-Adresse und ein Username benötigt. Dieser Account wird dann auf den Servern von AA gespeichert und vor jedem Online-Spiel muss man sich damit einloggen, damit die ganzen Punkte nicht verloren gehen, die man sich im Laufe der Zeit ansammelt. Hat man diese Hürde genommen, macht man das, was jeder gute Soldat macht: Man lernt das Schießen. Das fängt an auf einer normalen Schießbahn, wo man mit dem M16 soviel Ziele wie möglich treffen muss, um sich dann – vorausgesetzt man hat die benötigten 36 von 40 Treffer erzielt – für die Scharfschützenausbildung zu qualifizieren. Ein kleines Novum ist es, dass in diesem Spiel wie in der Realität auf die korrekte Atemtechnik geachtet wird und der Schuss erst dann wirklich sitzt, wenn man beim Durchziehen des Abzugs die Luft anhält. Natürlich darf auch die obligatorische Hindernisbahn nicht fehlen, die schon so manchen Rekruten kurz vor den Kreislaufkoller und so manchen Ausbilder an den Rand der Verzweiflung getrieben hat. Als kleine Belohnung darf man sich dann auf einer großzügig angelegten Schießanlage etwas mit den schweren Waffen austoben wie z. B. dem kleinen Maschinengewehr M249 SAW, dem Granatwerfer für das M16 oder den normalen Handgranaten. Da heißt es dann nur „Feuer frei!“. Die etwas besseren Schützen werden dann noch die Gelegenheit haben, sich an den Scharfschützengewehren auszulassen, die durch hohe Präzision und gewaltige Durchschlagskraft glänzen. Jeder, der dann noch höher hinauf will, kann sich mit dem Thema Fallschirmsprungs auseinander setzen und seine Erfahrungen an einem hohen Turm und danach bei einem Sprung aus dem Flugzeug sammeln. Diesen Teil absolviert man lieber erfolgreich, auch wenn es eine Menge Nerven kostet, denn ohne Fallschirmspringerlizenz bleiben einem die meisten Missionen versperrt.

Hat man sich dann durch die ganzen Trainingsmissionen durchgekämpft, die Scharfschützenausbildung mit Bravour bestanden und die Granaten weiter als jeden Football geworfen, kann es endlich voller Tatendrang in die ersten Online-Gefechte gehen, wo man sehr schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird. Hat man im Training noch auf statische Ziele geschossen, geht das ganze jetzt wesentlich fixer zur Sache, und da ist es einem eigentlich auch egal, ob man gerade die Luft anhält oder wie nach einem Marathon keucht. Hauptsache Kimme, Korn und Ziel decken sich irgendwie. Somit ist das mit der Atemtechnik zwar ein nettes Feature, kommt im eigentlichen Spiel aber nicht wirklich zur Geltung, da einem einfach die Zeit dafür fehlt. Was auch schnell ins Auge sticht, ist das leicht unausgewogene Leveldesign: In der Regel ist es so, dass die Verteidiger von den örtlichen Gegebenheiten her klar im Vorteil sind und in manchen Leveln zu gute Camper-Positionen haben, wo man meist nur mit einem großen Sturmangriff durchkommt, der aber leider des Öfteren durch ein, zwei Granaten zum Erliegen gebracht wird und die Runde dann an die Verteidiger geht. Das ist zwar durchaus realistisch, da man heutzutage davon ausgeht, dass man ca. das zwei- bis dreifach an Manpower benötigt, was der Verteidiger aufzubieten hat, wenn man eine ausgebaute Stellung im reinen Infanteriekampf erobern will. Leider setzt dieser etwas übertriebene Sinn für Realismus im Spiel die Frust-Schwelle manchmal so extrem hoch an die Grenze, dass man am liebsten mit der Tastatur auf den Monitor einschlagen möchte.

Ähnlich ist es auch bei dem hoch gelobten Teamwork. Meistens habe ich es so erlebt, dass der Level gestartet wurde und dann jeder sein eigenes Ding durchgezogen hat und es eigentlich egal war, wo der andere gerade ist und was er macht. Selten habe ich gesehen, dass man nach den klassischen Regeln des Decken-Vorrücken-Decken-Nachziehen vorgeht, um es sich etwas leichter zu machen. Hier wäre es schön gewesen, wenn man die bereits bestehende Kommandostruktur weiter ausgebaut hätte. Zur Zeit ist es nämlich so, dass jede Seite ihren Gruppenführer hat und die Soldaten in „kleine Kampfgemeinschaften“ (Bundeswehrjargon für „Fireteams“, also Drei-Mann-Trupps) aufgeteilt sind, die jeweils wieder einen Anführer haben. Nur leider zerbricht diese Hierarchie und keiner hält sich mehr dran (zumindest auf den öffentlichen Servern, wie es sich bei Clan-Spielen verhält kann ich nicht beurteilen). Praktisch wäre hier ein Kommando-Interface, mit dem man seinen unterstellen Soldaten präzise sagen kann, wo sie genau hin sollen und was sie machen sollen (z. B. Rundumsicherung, sich auf einen Bereich konzentrieren, Sperrfeuer etc.). Wer Operation Flashpoint auf einem PC gespielt hat, wird wissen, was ich meine.

Ein Kommunikationsinterface, in dem man Befehle erteilen kann, gibt es zwar, nur ist es hier leider wie sonst auch: Schön, dass es gesagt wird, aber interessieren tut es die wenigsten. Dabei haben sich die Entwickler hier etwas neues einfallen lassen: Man kann auswählen, wie man kommunizieren will: Da gibt es zum Beispiel den klassischen Funk, man kann aber auch Brüllen, normal Reden oder Flüstern. Und wer es ganz lautlos haben will, macht das über Handzeichen, was aber voraussetzt, dass jeder im Team die Zeichen kennt und zu dem Zeitpunkt des Befehls auch den Spieler sieht. Und wer kennt schon alles Handzeichen, die man dafür braucht und hat die nötige Zeit, sich das im Gefecht auch anzugucken? Hier ist es wie mit der Atmung: Sehr gute Idee, lässt sich spielerisch aber nur sehr schwer umsetzen.

Um aber wieder auf die Hierarchie in der Gruppe zurück zu kommen: Die Grundsteine für eine solche Ordnung gibt es bereits, da man verschiedene Spielerklassen zur Auswahl hat, wie z. B. den Gruppenführer mit dem M16 und einem Fernglas sowie den Truppführer mit gleicher Ausrüstung. Dazu kann man sich noch zwischen dem Grenadier mit dem Granatenunterbau für das M16, dem Scharfschützen mit zwei verschiedenen Gewehren (je nach Map), dem MG-Schützen und nicht zu vergessen dem einfachen Gruppensoldaten mit einem M16 und mehreren Handgranaten entscheiden. Ob man tatsächlich den Charakter bekommt, den man ausgewählt hat, hängt davon ab, wie viele von der jeweiligen Klasse für die Map zur Verfügung stehen, wer sich dafür schon angemeldet hat und zu guter Letzt, wer sich auf Grund vergangener Leistungen das Vorrecht erworben hat, den Charakter seiner Wahl zu bekommen.

Diese Koordinierung der Kräfte könnte dann auch dazu führen, dass man die teilweise recht großen und etwas unübersichtlichen Maps wesentlich schneller durchspielt und nicht derjenige, der zuerst stirbt bis zu 8 Minuten warten muss, bis der Timer abgelaufen ist oder die letzten beiden sich in einem ewigen andauernden eins-gegen-eins endlich gefunden haben, was auch zu diesem Tastatur-Monitor-Phänomen führen kann.

Spieler, die sich nicht an die Befehle halten, könnte man damit bestrafen, dass sie im Knast laden, übrigens auch eine nette Idee der Entwickler: Spieler, die zu oft Leute des eigenen Teams getroffen haben (so genannte Teamkills) begangen haben, landen für einen gewissen Zeitraum in einem virtuellen Militärgefängnis und sind so lange vom Spielbetrieb ausgeschlossen.

Aber wie es sich für ein neues Spiel gehört, gibt es hier eine kleine Revolution im Vergleich zu den üblichen Shootern: Das Alter Ego des Spielers steht unter Stress, und dieser wird durch die üblichen Verdächtigen wie vorbei fliegende Geschosse oder in der Nähe explodierende Granaten verursacht. Je höher der Stress, desto niedriger ist für einen kurzen Moment die Zielgenauigkeit, die man an einem Balken in der unteren rechten Ecke ablesen kann. Und was könnte besser gegen Stress helfen als die Nähe eines Vorgesetzten?! Ist man nämlich in der unmittelbaren Umgebung seines Anführers, dann scheint das den Soldaten zu beruhigen und er zielt wieder etwas besser. Nicht viel, aber immerhin etwas.

Die Zielgenauigkeit lässt sich aber auch künstlich nach oben treiben. Verständlicherweise schießt es sich im Liegen besser als im Stehen, und hat man dann noch das Zweibein der Waffe ausgeklappt (MGs und Scharfschützengewehre), kann einen nix mehr aus der Ruhe bringen. Haken an der Sache: So lange das Zweibein ausgeklappt ist, kann man sich nicht bewegen. Also muss man es erst wieder zusammenklappen und kann sich dann vom Acker machen, was manchmal aber gerade die entscheidenden Sekunden ausmacht, in denen man der Granate nicht mehr entkommen kann.

Nichtsdestotrotz ist das Zweibein fast unverzichtbar, wenn man Sperrfeuer geben will, weil da auch bei übelstem Dauerfeuer die Waffe nicht zu stark verzieht, und man sich so durchaus in manchen Leveln einen taktischen Vorteil holen kann, da man so die Gegner unten hält. Wer läuft schon gerne quer über eine Brücke, wenn da gerade ein paar Dutzend Geschosse durch die Luft sausen?! Ähnlich unverzichtbar sind die Rauchgranaten. Schon eine einzelne Granate macht genug Rauch, um die Sicht nach vorne zu versperren und erlaubt entweder einen schnellen unbemerkten Rückzug oder einen Vorstoß in die Richtung, wo der Gegner es nicht durch den Rauch sehen kann. Da hat man dann meist nur die Möglichkeit, auf gut Glück mit dem MG in den Rauch zu halten und darauf zu spekulieren, dass da was sein könnte. Dabei sollte man allerdings immer ein Auge auf die Munition haben und drauf achten, dass man nicht die eigenen Leute erwischt.

Teamkilling wird bei America’s Army besonders übel geahndet und zwar mit dicken Minuspunkten sowie dem oben erwähnten Kerker, wenn es zu sehr ausartet. Besonders am Anfang sollte man drauf achten, auf wen man schießt. Hinweis: Die eigenen Leute tragen IMMER einen Rucksack und in 9 von 10 Fällen einen Helm. In 1 von 10 Fällen war es dann entweder ein eigener Scharfschütze – die laufen mit Krempenhüten rum – oder aber der Gegner in einer Map, in der jeder einen Helm trägt. Die anfänglichen Schwierigkeiten können zwar manchmal dazu führen, dass man von den Mitspielern etwas dumm angemacht oder rausgevotet wird, aber auch hier hat man den Dreh nach ein paar Stunden raus und trifft nur noch in seltenen Fällen den eigenen Mann.

Soviel zu den spielerischen Aspekten von America’s Army, kommen wir nun zu der technischen Seite und da fand ich einiges doch etwas verblüffend. Obwohl das Spiel auf der UT-2003-Engine basiert, waren die Entwickler nicht in der Lage, in der jetzigen Version für Schatten der Spieler-Models zu sorgen, was das Ganze noch mal um einiges interessanter gemacht hätte. Aber das ist ein „Feature“, das für die nächste Version angekündigt ist. Zusätzlich wundert es mich, dass die Soldaten super-leichtfüssig auch die steilsten Hänge hinaufklettern können ohne groß an Geschwindigkeit zu verlieren. Es gibt ein paar Hänge, wo sie nicht rauf laufen können, aber dahinter ist dann meist der Level zu Ende… Ansonsten kann man zu der Grafik nicht viel sagen. Sie entspricht dem, was man heutzutage von einem Shooter mit dieser Engine erwartet, setzt aber nicht wirklich neue Maßstäbe. Dem klassischen Clipping-Fehler, bei dem man vor einer Wand steht und das Gewehr darin verschwindet, haben die Programmierer entgegen gewirkt, indem der Soldat die Waffe einfach senkrecht vor seinen Körper hält und sie so nicht mehr in der Wand stecken kann. Schön zu sehen, dass sich da mal endlich jemand Gedanken gemacht hat!

Fazit:

Der Sound weiß ebenfalls zu überzeugen. Die Geräusche der Waffen, Einschläge und vorbei fliegenden Kugeln passen sehr gut zusammen und ergeben eine eindrucksvolle Klangkulisse, wenn man gerade nach vorne stürmt und hinter einem das MG anfängt loszurattern um den Weg nach vorne freizumachen und der Grenadier zusätzlich etwas Granatfeuer ins Spiel bringt. Wie man schon an Hand der Aufteilung zwischen der technischen und spielerischen Seite von America’s Army hier sehen kann, handelt es sich hier um einen grundsoliden Shooter, der mit guter Grafik, schönem Sound und ein paar guter Ideen daherkommt und sicherlich noch eine Menge Potenzial hat, sofern die U. S. Army ihr Versprechen hält und das Spiel konsequent weiterentwickelt. Momentan hat man hier einen Shooter, der im Vergleich zu den anderen am FPS-Himmel noch etwas matt strahlt, aber doch die Möglichkeiten hat, manch anderen Shooter zu übertreffen.

Trotzdem sollte man nicht vergessen, wozu dieses Spiel entwickelt wurde: Um Jugendlichen und Heranwachsenden einen Einblick in die U. S. Army zu geben mit dem Ziel, sie für den Soldatenberuf zu werben (man könnte es auch weniger politisch korrekt schlichtweg rekrutieren nennen). Mir persönlich ist das eigentlich egal, da ich mein Jahr bei der Bundeswehr inklusive Einsatz in Afghanistan hinter mir habe und daher mein eigenes Bild von der U. S. Army und einem Land im Kriegszustand habe und es sich für mich hier nur um einen Shooter handelt, dessen ganzes patriotische Drum-Herum man ja nicht lesen muss, wenn man nicht will.

Maximilian Bobzien

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Spiel bei macgamefiles.com.

Screenshots (klicken für mehr)

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