Die Sims

Es war einmal eine Stadt. Diese Stadt hieß SimCity. Und weil SimCity auf die Dauer langweilig wurde, gab es eine zweite Stadt. Und danach eine dritte. Und außerdem gab es in SimCity neben Ameisenhügeln auch noch Türme und so weiter und so weiter. Und schließlich kam jemand auf die Idee, dass alles, was jetzt noch fehlte, Menschen waren. Und damit entstanden die Sims, die SimCity bevölkern sollten.

Cool! Jetzt kann man sich seinen eigenen Big-Brother-Container bauen und seine eigenen Kandidaten hineinstecken! Auffällig ist der extrem langwierige Startprozess, der erst einmal einen kleinen Film abspielt, der zeigt, was die Sims alles so treiben, und der anschließend immerhin durch nette Musik begleitet wird. Dann landet der Spieler in der Nachbarschaft – einem kleinen Stadtteil der großen Metropole SimCity. Hier wählst du die Sim-Familie und ihre Behausung aus, und hier startest du auch das Spiel. Um dich mit der Bedienung vertraut zu machen, kannst du ein kleines Häuschen, das schon vorgefertigt ist, beziehen. In diesem Häuschen wohnt bereits ein unsauberer Bursche, der ständig komische Geräusche und Töne von sich gibt. Dieses Haus und der ungewaschene Kumpan sind Bestandteil des hervorragend gemachten Tutorials. Hier kannst du lernen, wie du mit deinen Sims interagierst, wie du ein Haus baust und es einrichtest.

Du kannst auf vorgefertigte Muster-Sims zurückgreifen, um mit dem Spiel zu beginnen, aber du kannst dir auch ganze Familien selber schnitzen bzw. aus dem Internet herunterladen.

Hand auf’s Herz – glaubst du an Horoskope? Ich nicht. Trotzdem ist es irgendwie lustig, einem Sim einen besonderen Charakter zu verpassen und zu schauen, was für ein Sternzeichen dabei rauskommt. Also ich bin zum Beispiel Steinbock, und darum besonders… doch lassen wir das.

Mein virtuelles Alter Ego wird mit einer virtuellen Traumfrau in eines der Sim-Häuser gesteckt und dann auf die Frau losgelassen – doch nichts passiert. Hmm, seltsam. Sternzeichen alleine reichen wohl nicht für typische Verhaltensmuster? Also: Klick auf die Frau: Aaah! Ich kann mit ihr sprechen! (Würde ich im echten Leben nicht drauf gekommen sein.) Nachdem ich eine Weile unverständliches Zeug genuschelt habe – begleitet von einzelnen kompromittierenden Sprechblasen -, erweitert sich die Möglichkeit der Interaktion um diverse Punkte. Jetzt kann ich Witze reißen, dann kann ich sie unterhalten (und mit Bällen jonglieren – Tadaaa!), die Holde umarmen, küssen (seufz) und schließlich einen Heiratsantrag machen. Doch dooferweise lehnt sie den ab, weil es ihr in meinem Haus zu langweilig ist. Also muss Unterhaltungselektronik her! Ich kaufe eine Stereoanlage und stelle auf volle Pulle – jetzt ist sie zwar gut unterhalten, aber mein Geld reicht nicht mehr für eine Kloschüssel, und die Süße macht mir eine Pfütze auf den Teppich. Na, wenigstens schämt sie sich dafür.

Um an Geld zu kommen brauche ich (wie im echten Leben) einen Job, und den finde ich (ebenfalls wie im echten Leben) in der Zeitung. Das Spiel bietet verschiedene Berufslaufbahnen an, eine militärische zum Beispiel, eine im Showbiz, eine ziemlich kriminelle, bei der Polizei, in der Politik und so weiter. Und dann geht’s ab – Freunde finden, Partys feiern, Nachwuchs kriegen (ich kann sogar Babys adoptieren) – alles gar nicht so schwer. Und nachdem man einmal drin ist, macht das Spiel einen wahnsinnigen Spaß. Es gibt zwar etliche Längen – etwa, wenn sich mein Protagonist entschließt, ein Buch zu lesen oder die Dusche zu schrubben -, doch diese Zeiten lassen sich elegant durch insgesamt drei Geschwindigkeitsstufen überbrücken.

Seltsam kommen mir allerdings einige Dinge schon vor: Da kommt ein Einbrecher ins Haus, und was klaut er? Nicht meine Stereoanlage, nicht meinen Fernseher, sondern meinen Gasherd. Den steckt er in seinen Sack, schultert ihn und trägt ihn lässig aus der Wohnung. Ich fasse es nicht…

Auch nicht ganz klar ist mir, warum ich für das Durchqueren meiner geschätzt 100 Quadratmeter großen Wohnung eine gute halbe Stunde brauche (dito für die Toilettenbenutzung), und warum eine Pizza, die ich mir vom Bringdienst bestelle, satte 40 $ kostet, wo ich doch bloß 110 $ (täglich) verdiene. Die Haushaltshilfe will bloß 10 $ pro Stunde sehen, und auch Gärtner und Handwerker kosten vernünftige Preise. Die Pizza ist vermutlich so groß wie ein Wagenrad, doch dieses Detail bleibt verborgen.

Apropos Detail – Die Sims kommen aus dem prüden Amerika, und da darfst du natürlich nicht sehen, wie ein Sim im Stehen pinkelt oder sich für die Dusche entkleidet. Darum hat der Hersteller die delikaten Szenen elegant gepixelt (man sieht wirklich NIX) – und doch ist ihm was entgangen: Wenn ein weiblicher Sim in der Dusche steht, kann man der virtuellen Dame aus einem bestimmten Betrachtungswinkel ganz kurz einen Blick sowohl tief ins Dekolleté als auch auf eine bestimmte flauschige Stelle werfen… Und wem das noch immer nicht reicht: Es kursiert ein Patch, der die gepixelten Stellen ein für alle Male entpixelt.

Noch einmal apropos Detail: Was passiert, wenn du eine Pizza-Schachtel herumliegen lässt und die halbe Pizza noch drin ist? Na? Die Fliegen fallen drüber her. Und das nicht nur bei den Sims, sondern auch im echten Leben.

Das traute Heim lässt sich individuell – je nach Geschmack und Einkommenslage – ausgestalten. Im Grundpaket werden zig verschiedene Sitz- und Schlafgelegenheiten, Tische, Schränke, Küchen- und Badezimmermöbel, Lampen, Unterhaltungselektronik etc. mitgeliefert. Geld (und Stellfläche) genug vorausgesetzt trägt alles dazu bei, dass sich die Sims wohl fühlen daheim. Wenn deine Familie das erste Mal ihr neues Heim betritt, geht sie durch die Räume und begutachtet eingehend das bereit gestellte Mobiliar. Ein Sim mag auf einen Mikrowellenherd mit Begeisterung (Applaus) reagieren, ein anderer dagegen mit totaler Ablehnung (so ein Geräusch, als wolle man gleich rückwärts frühstücken). Die kaufbaren Gegenstände sind überaus witzig beschrieben und klingen wie eine Werbebroschüre (z.B. die Toilettenschüssel „Spülwunder“ mit mehr Knöpfen als ein Stealth-Bomber, beheizter Sitzfläche und 56k-Modem).

Wem’s nicht reicht: Der Verleger der englischen Mac-Version, Aspyr, stellt nach und nach weitere lustige oder nützliche Elemente zum Download bereit, derzeit allerdings nur unter Preisgabe der Seriennummer des Spiels. So gibt es einen Elchkopf aus Biberpelz (bei dessen Herstellung garantiert kein Elch verletzt worden sei), einen Spielautomaten original wie aus der Imbiss-Bude oder ein Meerschwein. Auch lassen sich auf den diversen Fan-Seiten, etwa The Sims for Mac, Seven Deadly Sims oder auch Schöner Simulieren komplette Häuser und Familien downloaden. Für Abwechslung ist also auf lange Sicht gesorgt. Editoren für Objekte gibt es derzeit nur auf der PC-Seite, doch Aspyr hat angekündigt, nach und nach alle verfügbaren PC-Objekte zu portieren.

Nicht nur schöne Dinge widerfahren deinen Sims, sondern auch handfeste Katastrophen: Bei mir brannte mal die halbe Hütte, und bevor ich reagieren konnte, war mein Lieblings-Sim ein kleines Häufchen Asche in einer kleinen Urne. Diese Urne stand in der Ecke herum, und jeder Besucher oder Bewohner, dem gerade danach war, begann beim Anblick der Urne lauthals zu weinen und zu klagen.

Dem Spiel mangelt es leider an Netzwerkfähigkeit. Toll wäre es, wenn der Hersteller eine Möglichkeit geschaffen hätte, mit mehreren Spielern gleichzeitig in derselben Nachbarschaft zu agieren – hier hätten sich womöglich dramatische Bekanntschaften ergeben. Wäre das was für „Die Sims 2“?

Die Optik des Spiels ist ausgesprochen detailreich. Animierte Fliegen über alter Pizza und vollen Mülleimern sind ein Teil. Doch auch die Gestik der Protagonisten ist schön gelungen. Für den Fall, dass zwei Sims in heftigen Streit geraten, gibt es z.B. einen „furball fight“, also jene Staubwolken, die aus Zeichentrickfilmen bei Schlägereien benutzt werden, um den armen Kinderlein die rohe Gewalt der Auseinandersetzung zu ersparen. Nachts dunkelt die Umgebung leicht ab, und bei Betreten eines Raumes mit funktionstüchtiger Lampe schaltet sich diese automatisch an (sehr praktisch).

Schön sind auch die Soundeffekte, die vom Zirpen der Grillen im Garten des Nachts über das unverständliche Geplapper der Sims bis hin zu klassischer Musik reichen. Die Musik ist übrigens eine weitere Anmerkung wert: Wem die mitgelieferten, schön komponierten Stücke der verschiedenen Genres (Rock, Country, Klassik etc.) nicht reichen, der kann seine eigenen MP3-Dateien in einem entsprechenden Ordner ablegen und seine Sims z.B. Dire Straits oder Beethovens Fünfte hören lassen.

Wer beim Gedanken an SimCity feuchte Augen kriegt, dem werden auch die Sims gefallen. Und vor diesem Spiel wird er ebenso lange sitzen wie vor diesem Urvater aller Entwicklungssimulationen. Sprich: wochenlang. Dennoch ergeben sich einige Längen durch teilweise unlogisch anmutenden Zeitbedarf einzelner Tätigkeiten oder durch deren Spannungspotential für Betrachter (Toilettengang, Schachspiel, Buch lesen).

Ein ziemlicher Knaller zur Spielverlängerung verbirgt sich in einem kleinen Feature: Damit kannst du von deinem Sim-Haushalt eine vollständige Internet-Präsenz erstellen, die sich in deinem Browser begutachten lässt. Leider musst du den Seitengenerator aus dem Spiel selbst aufrufen, und dafür muss jede Menge RAM zur Verfügung stehen.

Sehr beeindruckt war ich von der deutschen Umsetzung des englischen Handbuchs. Hier hatApplication Systems Heidelberg eine großartige Leistung vollbracht: Das deutsche Handbuch ist nämlich besser als das Original. Das englische Handbuch ist zwar nett geschrieben, durch einen ungeschickten Druck (dünner schwarzer Text auf grauen Bildern im Hintergrund, die zu kräftig für richtige Hintergrundbilder sind) lässt es sich aber nur sehr schwer lesen. Dieses Manko ist im deutschen Handbuch viel besser gelöst. Kompliment an ASH!

Doch das Handbuch ist eigentlich kaum von Nöten, da das Tutorial dermaßen genial in das eigentliche Spiel integriert ist. Hast du das Tutorial absolviert, brauchst du eigentlich kein Handbuch mehr, da sich der komplette Rest intuitiv von selbst erschließt.

Allerdings machte ich zu Anfang immerzu den Fehler, dass ich die Person anklickte, von der ich wollte, dass sie etwas tat, statt auf das Objekt zu klicken, das bedient werden sollte. Diesen Fehler konnte ich auch bei anderen entdecken. (Also bin ich nicht ganz blöd…) Dennoch ist das Prinzip ganz schlüssig, da es meist zu viele Interaktionsmöglichkeiten gibt und diese gar nicht alle aufzählbar wären.

Das Spielfeld ist relativ klein und nur auf das Grundstück der gerade aktuellen Familie beschränkt. Zum Wechseln der Familie musst du jedes Mal zurück zum Startbildschirm. Das Grundstück lässt sich aus vier Richtungen betrachten. Dabei kannst du entweder bei deinem Haus eine komplette Außenansicht haben (mit Wänden und Dach), oder eine ausgeschnittene Ansicht (wenn der Mauszeiger über eine Wand gleitet, wird dieser Bereich ausgeschnitten), oder du „reißt“ Wände und Dach ganz einfach visuell ab, so dass du einen freien Blick ins Innere des Hauses hast.

Die Sims benötigen einen G3-Prozessor als Voraussetzung; damit ist jeder beliebige iMac, aber auch das alte, beigefarbene Desktop- und Tower-G3-Modell, in der Lage, das Game zum Laufen zu bringen. Je schneller der Prozessor aber ist, desto flüssiger läuft alles ab. Viel RAM sollte der Rechner ebenfalls mitbringen, denn mit „nur“ 160 MB (ohne Virtuellen Speicher) lassen sich keine Internet-Seiten generieren.

Fazit:

Ein echter Knüller, der die tägliche Langeweile zum Kult erhebt. Dieses Spiel ist eines der besten Spiele des Jahres 2000.

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Spiel im macinplay-Shop.

Screenshots (klicken für mehr)

[flickr album=72157623721501482 num=5 size=Square]

Habt Ihr eigene Screenshots vom Spiel? Schickt sie uns!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

For security, use of Google's reCAPTCHA service is required which is subject to the Google Privacy Policy and Terms of Use.