Enemy Engaged: RAH-66 Comanche versus KA-52 Hokum

Eine Auszeichnung hat sich Enemy Engaged: RAH-66 Comanche versus KA-52 Hokum bereits vor diesem Testbericht verdient: Nie zuvor dürfte es von der Ankündigung bis zum Erscheinungstermin einer Portierung so lange gedauert haben – außer vielleicht bei „Duke Nukem Forever„, das bis dato allerdings noch nicht erschienen ist und daher außer Konkurrenz läuft. Ob die lange Entwicklungszeit dem Spiel gut getan hat, oder ob es bereits völlig veraltet ist, gilt es an dieser Stelle zu klären.

Wie man dem Namen des Spiels bereits entnehmen kann, dreht sich alles um die beiden Aufklärungs- und Kampfhubschrauber RAH-66 Comanche und KA-52 Hokum B. Der Comanche ist unter Hobby-Piloten wahrlich kein Unbekannter. Bereits 1992 brachte NovaLogic ein Spiel rund um den ewigen Prototypen der US-Armee. Ihm gegenüber steht der russische Hokum in der Zweisitzer-Version mit Doppelrotor.

Herz des Spiels sind die drei Kampagnen im Libanon, in Taiwan und im Grenzgebiet von Saudi-Arabien und Jemen. Die Landschaften beruhen auf realen Daten und sind riesig, der Libanon etwa ist bis in den kleinsten Zipfel im Spiel abgebildet. Des weiteren sind die Kampagnen völlig dynamisch, d. h. es gibt keinen vorbestimmten Ablauf, alle Missionen werden im Laufe des Geschehens erzeugt. Wann der Spieler zum Steuerknüppel greift, bleibt ihm überlassen. Ohne Joystick mit Schubkontrolle sollte man allerdings nicht abheben.

Aller Anfang ist schwer

Bevor man sich an die Kampagnen wagt, sollte man sich zuerst mit dem Fluggerät vertraut machen. Leider bietet das Spiel kein Tutorial, was aufgrund der Komplexität jedoch angebracht gewesen wäre. Stattdessen sollte man die ersten Flugstunden im so genannten „Freiflug“ absolvieren. Hier hat man die Möglichkeit, sich unverwundbar zu machen oder einzustellen, dass die feindlichen Truppen niemals zuerst angreifen. Weitere Einstellungen betreffen den Realismusgrad, etwa gutmütigere Flugeigenschaften, ein automatisches Zielsystem oder Schwierigkeitsgrad (einfach, mittel, schwer).

Hat man alle Einstellungen getroffen und sich ins Spiel begeben, wird man mit dem mächtigen Kampagnen- und Einsatzplanungsbildschirm konfrontiert. Zum besseren Verständnis sollte man entweder das gedruckte Kurzhandbuch (nur in englisch) oder das 229 Seiten starke ausführliche Handbuch in deutsch zu Rate ziehen. Letzteres ist jedoch nur als pdf-Datei auf der DVD enthalten, eine Frechheit seitens des Publishers. Um wirklich mit der Bedienung klar zu kommen muss man früher oder später einen Blick hinein werfen. Bei einem Budget-Titel könnte man das Fehlen verschmerzen, nicht aber bei einem ausgesprochen komplexen Vollpreisspiel.

Die Bedienung ist so gut, wie sie bei einer solchen Fülle an Funktionen eben sein kann. Die komplette Tastatur ist belegt, und zwar mehrfach, d. h. man muss oft mit Schift und Ctrl hantieren. Schade, dass die Knöpfe auf dem Joystick nicht frei mit Funktionen belegt werden können. So musste ich den Heckrotor immer über die Tastatur bedienen. Joysticks mit Z-Achse, etwa ein Saitek Cyborg 3D, helfen hierbei.

Schiffe versenken

Wie bereits erwähnt sind die Kampagnen dynamisch. Das bezieht sich nicht nur auf den Ablauf: Schon bei der Erstellung werden die Truppen teilweise zufällig platziert. Um eine Kampagne zu gewinnen, muss man fünf Schlüsselziele erreichen. Mal muss ein Kraftwerk zerstört, ein Luftwaffenstützpunkt eingenommen oder ein Kriegsschiff versenkt werden. Alternativ kann man den Gegner auch soweit schwächen, bis er nicht mehr genügend Einheiten hat und aufgibt. Eine Übersicht über die Kräfteverhältnisse gibt der Kampagnenbildschirm, den man jederzeit aufrufen kann. Die Verteilung der Truppen wird dabei prozentual an der Gesamtzahl und auch nach Einheitentyp angezeigt.

Mittendrin statt nur dabei

Im Einsatzplanungsbildschirm werden alle verfügbaren Missionen angezeigt, und nach ihrem Typ gegliedert. Es gibt Aufklärungseinsätze, Schläge gegen Bodentruppen wie Panzer und Luftabwehr sowie gegen Gebäude wie Fabriken oder Radarstationen. Auch der Schutz des Luftraumes nahe eines Stützpunktes gehört zu den Aufgaben. Je nach Einsatz ist auch die Bewaffnung zu wählen. Bei Bodenschlägen braucht es natürlich Raketen, die Bodenziele überhaupt angreifen können. Wenn man seinen Stützpunkt oder ein befreundetes Geschwader beschützt, dann am besten mit speziellen Raketen für Ziele in der Luft, wie feindliche Transport- und Kampfhubschrauber, oder, besonders gefürchtet, Abfangjäger. Unterstützt wird man dabei von bis zu drei Flügelmännern, denen man auch Befehle wie „Mein Ziel angreifen“, „Hilf mir“ oder „Zurück zur Formation“ geben kann. Außerdem kann von der Basis ein Luftschlag oder Artillerie angefordert werden.

Die Eroberung des Feindgebietes erfolgt immer nach dem gleichen Schema. Alles beginnt mit einem Aufklärungseinsatz, danach wird das Ziel zerstört und zu guter Letzt werden, im Falle von Stützpunkten und Fabriken, Infanteristen eingeflogen, die die feindlichen Gebäude einnehmen. Bei großen Stützpunkten ist das sehr mühsam und wenig abwechslungsreich. Zu oft fliegt man dieselben Routen ins selbe Gebiet, bis man die gefährliche Luftabwehr geschwächt hat, um endlich bis auf die Landebahnen und zu den Hangars vorzudringen. Um so größer ist das Glücksgefühl, wenn die Transporthelikopter dank unserer Eskorte auf dem Flugfeld landen, die Bodentruppen ausschwärmen und den Flughafen einnehmen. Den meisten Spaß brachten mir jedoch die Einsätze in den abgelegenen Bergen und Tälern im Jemen und Libanon.

Spieldauer

Eine Mission dauert durchschnittlich etwa eine halbe Stunde, zumindest, wenn man vorhat, den Weg bis ins Einsatzgebiet und zurück selbst zu fliegen. Die Beendigung einer Kampagne dauert mindestens einen ganzen 24-Stunden-Tag. Oder noch wesentlich länger, je nach Schwierigkeitsgrad und Größe des Areals. Weil eine Story fehlt und man jederzeit speichern kann – sehr schön! -, ist das Spiel aber auch für Gelegenheitsspieler geeignet. Neben den zeitintensiven Kampagnen gibt es zudem einen Skirmish-Modus. Hier wird nur in einem kleinen Ausschnitt der Karte gekämpft, ideal für zwischendurch. Die Ablaufgeschwindigkeit lässt sich übrigens auf bis zu 400% beschleunigen, auch während man fliegt.

Kommandiere und beobachte

Im Kampagnenbildschirm findet sich eine zoombare Übersichtskarte des Krisengebietes. Klickt man die darauf wuselnden Einheiten an, bekommt man Informationen zu ihrer Mission und die Wegpunkte angezeigt. Wer möchte, kann diese neu setzen, was oft einen Sinn ergibt, denn häufig begeben sich eigene Truppen auf dem Weg zum Einsatzort in unnötige Gefahr.

Völlig gefahrlos ist der Beobachter-Modus, den das Spiel mitbringt. Dabei kann man in die Sicht jeder Einheit wechseln. Und das sind eine ganze Menge, gut und gerne 900 zu Beginn einer Kampagne. Sinnvoll ist dieses Feature vor allem zur besseren Erkundung des Geländes.

Multiplayer

Enemy Engaged bietet Mehrspielermöglichkeit über Netzwerk und Internet per GameRanger, nicht jedoch gegen Spieler der PC-Version. Leider fanden sich keine Mitspieler und Server bei GameRanger, sodass diese Funktion nicht getestet werden konnte.

Grafik, Sound und Performance

Die Gestaltung der Menüs ist ziemlich bescheiden, und oft reagieren die Menüpunkte auf Klicks nicht. Im Spiel selbst bekommt man schöne Wettereffekte und detaillierte Einheiten zu sehen. Der Restlichtverstärker und das Cockpit mit all seinen blinkenden Armaturen und Instrumenten sind durchaus zweckmäßig bis ansehnlich. Die Texturen der Landschaft wirken dagegen leider oft matschig und machen es ein ums andere Mal schwer abzuschätzen, wie tief man fliegt. Da hilft nur ein Blick auf das HUD. Besonders wenn man in die tief stehende Sonne fliegt ist man wie geblendet. Macht aber nichts. Einfach den Autopilot einschalten und die unbeschreibliche Romantik dieses Momentes genießen.

Die Performance war auf dem Testsystem, einem PowerBook G4 1,33 GHz, durchweg gut, bis auf einige unrühmliche Ausnahmen. In einer Situation etwa fiel die Bildrate auf weniger als ein Bild pro Sekunde. Folge: Der Comanche ging im Meer baden und die Mission war verloren. Diese Situation stellte sich als reproduzierbar heraus. Unrühmlich sind auch die häufig auftretenden Clipping-Fehler bei den Bodentexturen. Wenn möglich, sollte man Full Scene Anti-Aliasing (FSAA) aktivieren, wodurch das Bild deutlich ruhiger wirkt. Das Spiel unterstützt außerdem Widescreen-Auflösungen, leider ist das aber mehr oder weniger unbrauchbar: Das Bild wird einfach nur in die Breite gezerrt, der Sichtbereich vergrößert sich also nicht.

Die Soundeffekte hingegen sind durchweg gelungen. Motoren und Rotoren sind von guter Qualität. Per Funk wird man ständig über laufende Einsätze, Ereignisse und sogar Hilferufe informiert. Doch Vorsicht, es wird nur englisch gesprochen. Wenn man mit der roten Streitmacht spielt (Hokum) nervt der russische Dialekt gelegentlich.

Waffenstillstand und andere Ärgernisse

Ein letztes Mal muss auf die dynamische Simulation des Kriegsgeschehens eingegangen werden. Einsätze werden dynamisch generiert, je nach Situation eben. Oder sie werden eben nicht erzeugt. Und genau das ist passiert. Den sicheren Sieg im Libanon vor Augen, bot das Spiel einfach keine Einsätze mehr an. Auch die Gegenseite reagierte überhaupt nicht mehr. Lediglich ein paar Bodentruppen fuhren von A nach B, um dann wieder von B nach A zu fahren. Ich ließ den Rechner mehrere Nächte lang weiter simulieren, mit 4-facher Ablaufgeschwindigkeit. Doch es änderte sich nichts, das Spiel war in der Sackgasse.

Auch zeigte sich das Programm anfangs sehr absturzfreudig. Nach langem rätseln ließ sich dieses Problem durch Maximierung der Objektdetails in den Grafikoptionen beseitigen. Kleinere Schwächen bei der KI und der Kollisionsabfrage waren auch zu beobachten.

Fazit:

Trotz der genannten Schwächen und Mängel fasziniert das Spiel. Das superbe Fluggefühl, die Detailverliebtheit und die weiten Landschaften schaffen eine ganz eigene Atmosphäre. Das simulierte Kriegstreiben schafft ein intensives Mittendrin-Gefühl. Wer geduldig ist, wird seinen Kampfhubschrauber immer besser unter Kontrolle bekommen und den Feind gekonnt aus der Deckung heraus bekämpfen. Das fehlende ausführliche deutsche Handbuch in gedruckter Form wird mit Punktabzug bestraft, weshalb es „Enemy Engaged“ nicht mehr in die von uns empfohlenen Spiele schafft. Simulationsfans mit Joystick sollten zugreifen.

Felix Rothmaier

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Produkt im macinplay-Shop.

Bilder (klicken für mehr)

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