The Goalkeeper

Irgendein Samstag in Dortmund, meiner momentanen Heimat. Die halbe Stadt hüllt sich in Gelb-Schwarz und wandert gen Süden – um genau zu sein: Richtung Westfalenstadion. Borussia spielt. Das bedeutet: Grölende Fußballfans in der Innenstadt, grölende Fußballfans in S-, U- und Straßenbahn, grölende Fußballfans in Taxen, grölende Fußballfans in Reisebussen. Aus den Nachbarwohnungen und so ziemlich jeder Kneipe hört man mitfiebernde Aufschreie völlig aufgelöster, die Live-Übertragung des Spiels verfolgender Männer. Fußballfans prügeln sich auf offener Straße, Fußballfans saufen Bier in kaum fassbaren Mengen – und das am hellichten Tag – Fußballfans pissen ins Gebüsch und vor die Hauswand. Ich hasse Fußball. Ich hasse Fußballfans. Aber ich versuche, etwas dagegen zu unternehmen.

So verfolge ich regelmäßig die Fernsehübertragungen der Spiele des örtlichen Lieblingsvereins. Leider schlafe ich ebenso regelmäßig vor dem Fernseher ein. Stärkerer Tobak muss her. Da kommt das Angebot zum Test von »The Goalkeeper« gerade recht. Ob es dieses Spiel schafft, meine Aversionen etwas zu mindern?

»The Goalkeeper« ist eine Coproduktion von Wintervolves und Studior4, zwei relativ unbekannten Sharewareschmieden mit Sitz in den Vereinigten Staaten. Grundgerüst ist die berühmt-berüchtigte PTK-Engine von Phelios, auf der einzigartige Spielspaßperlen wie »Energy« oder »Drip Drop« aufbauen – ich merke bereits, wie sich mein Nacken leicht verspannt… Da ich aber noch voller Enthusiasmus bin, schlucke ich die voreiligen Zweifel herunter und starte das Game.

Das Spiel verspricht, mich in die Rolle eines von mir selbst erstellten Star-Torwarts zu versetzen. Und tatsächlich: Ganz zu Beginn des Spiels geht es um essentiell wichtige Fragen. So darf ich mich erstmal mit dem wichtigsten Teil meines Mannes beschäftigen: seiner Haarpracht. Seiner Haupthaarpracht. Von wuschelig über gegelt bis schulterlang ist alles im Angebot. Ich entscheide mich jedoch für den maskulinen, unkomplizierten und pflegeleichten Glatzkopf. Als nächstes folgt die Definition der Grundkompetenz meines Helden: Dreißig Skillpoints warten darauf, auf die Bereiche »Handling«, »Reflexes«, »Jumping« und »Charisma« verteilt zu werden. Diese Grundkompetenzen können, wie ich später feststellen darf, im Laufe des Spiels durch teure Trainingseinheiten modifiziert werden. Nachdem sämtliche Skillpoints verteilt wurden, ist das »Setup« meines Torwarts abgeschlossen und ich kann mich mitten ins Getümmel stürzen.

Dieses Getümmel besteht aus dem eigentlichen Hauptmenü des Spiels, dem Dreh- und Angelpunkt meines Schaltens und Waltens. Von hier aus darf ich den Torwart ins Training schicken, kann ihn einen Smalltalk mit dem Trainer des Vereins veranstalten lassen oder aber direkt das erste Spiel starten.

Beginnen will ich mit dem Training. Fünfzig fette Trainingspunkte warten darauf, von mir in Trainingseinheiten investiert zu werden. Jede Trainingseinheit hat positive Auswirkungen auf die Entwicklung eines bestimmten Talents meines Torwartes. Das Torschusstraining zum Beispiel verbessert die Reaktion meines glatzköpfigen Helden. Sind alle Trainingspunkte aufgebraucht, bietet es sich an, das erste Spiel zu starten. Dies geschieht schneller, als einem lieb ist: Die Trainingseinheiten kosten bis zu sieben Trainingspunkte und wollen wohl überlegt investiert sein. Selbst ein vermeintlich unwichtiger Punkt wie »Charisma« ist von entscheidender Wichtigkeit: Wer bei seinem Team und seinem Trainer besser ankommt, kann stärkeren Einfluss ausüben. Der unverbindliche Plausch mit den Teamkollegen kostet somit auch fünf Trainingspunkte. Urlaubstage gibt es umsonst. Sie haben positive Auswirkungen auf die körperliche Verfassung des Torwarts, leider bringen sie ihn auch aus der Form: Ein Urlaubstag kostet jeden meiner zuvor mühselig erarbeiteten Skills einen Punkt. Aber da es meinem Torwart ganz zu Anfang des Spiels blendend geht, lasse ich ihn mehrere Runden um den Platz sprinten, ein paar Torschuss-Trainingseinheiten absolvieren und zum gemütlichen Plausch mit den Teamkollegen nötige ich ihn auch noch. Da ich der Meinung bin, dass er nun eigentlich fit genug für’s erste Spiel sei, wird nicht lange herumgefackelt und ich schicke ihn auf’s Spielfeld.

Und dies sollte der letzte Moment sein, in dem ich noch mal einen Blick auf meinen Keeper werfen kann. Das Spielfeld bekomme ich nämlich nicht zu sehen. Stattdessen wird eine den ganzen Bildschirm bedeckende Tabelle gezeigt, in der sich laufend Zahlenwerte aktualisieren. Zahlen – Igitt! Werte – Pfui Deibel! Statistiken – Würg! Auswertungen – Kotz! Mein altes Mathe-Trauma bricht wieder hervor, die Begeisterung fällt rapide und die ganzen Ziffern auf dem Bildschirm machen mich völlig narrisch. Egal wo man Hinblickt: Überall Zahlen! Am oberen Bildrand sehe ich zum Beispiel den aktuellen Spielstand, darunter die abgelaufene Zeit. Erlösung bringt lediglich der untere Bildrand: Dort werden besonders dramatische Ereignisse des unsichtbaren Spiels via Texteinblendung an mich durchgereicht. Wenn also die Arschkarte gezeigt wird, erfahre ich das dort. Ebenso finde ich am unteren Bildrand fünf Schaltflächen vor. Mit der linken kann ich das Spiel pausieren, mit der daneben läuft es in der niedrigsten Geschwindigkeitsstufe. Die beiden rechts daneben lassen das Spiel jeweils eine Stufe schneller laufen, die ganz rechte Schaltfläche rattert das Spiel in null komma nichts zum Ende durch – ohne mir die Möglichkeit zu geben, irgendeinen Einfluss auf die Geschehnisse zu nehmen.

Dieser Einfluss kommt immer dann zum tragen, wenn der Gegner auf mein Tor schießt. Es gibt hier zwei Möglichkeiten: Entweder ich entscheide mich für den »Strategie«-Modus, der die Balljagd zu einer Art Glücksspiel werden lässt, oder aber ich versuche im »Arcade«-Modus, selbst den Ball zu fangen. In letzterem Fall, der als Standard im Spiel eingestellt ist, sehe ich für kurze Zeit mein Tor, darin zwei Patschehändchen, die ich mit der Maus – entsprechend des Trainingszustandes meines Keepers – schnell oder langsam bewegen kann. Nach kurzer Zeit wird der Ball in einem sensationellen 3D-Effekt ins Bild gebracht. Während er auf das Tor zu zoomt, habe ich Gelegenheit, die Händchen so zu platzieren, dass sie dem Ball den Weg ins Tor blockieren. Entsprechend der Stärke der gegnerischen Mannschaft ist das mal mehr, mal weniger schwierig.

Ein gehaltener Ball bringt meinem Team selbstverständlich die Chance auf den Sieg näher, meinem Torwart bringt er – abhängig vom Schwierigkeitsgrad des Schusses – Charismapunkte ein. Ein nicht gehaltener Ball zieht hingegen Charismapunkte ab. Welche Rolle Charismapunkte spielen, erfahre ich, nachdem ich ein/zwei schlechtere Spiele geliefert habe: Der Trainer will meinen Keeper nicht länger im Tor sehen. Durch ein ausführliches Gespräch kann ich seine Meinung jedoch umstimmen – je ausführlicher das Gespräch, desto mehr Charismapunkte muss ich auf den Tisch legen. Charismapunkte sind außerdem wichtig, wenn ich den Verein wechseln will. Je mehr Charisma ich habe, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein anderer Verein für meinen Torwart interessieren wird.

Unmittelbar nach einem Spiel gibt’s das einzige, wirkliche Highlight des Spiels zu sehen: Von der Fernsehreporterin des Senders »Soccer TV« wird das Spiel in kurzen Sätzen zusammengefasst. Es stellt sich jedoch die Frage, wer beim Anblick dieser Reporterin vor Lachen überhaupt noch des Lesens fähig ist. Diese Frau hat Lippen, die vermutlich ähnlich viel Silikon enthalten wie ihr Busen – und der ist seeehhrrr üppig…

Im Groben wäre damit der ganze Inhalt des Spiels beschrieben. Ein wenig dünn, meint ihr? Kann sein, dass ihr Recht habt. Auch nach mehrmaligem Spielen konnte ich keine neue Facette, die dem Ganzen etwas mehr Tiefgang verliehen hätte, entdecken. Es ist eine ständige Wiederholung: Trainieren, Spiel, Trainieren, Spiel, eventuell den Trainer bequatschen, Trainieren, Spiel… Man könnte fast meinen, das Programm würde in einer Schleife festhängen. Zudem kommen Zweifel an der grundsätzlichen Konzeption des Spiels auf. Wenn ich mich zum Beispiel darauf konzentriere, die Zusammenarbeit mit meinem Team zu optimieren, arbeitet die Abwehr besser. Folglich hat der Gegner weniger Torchancen – was ja eigentlich in meinem Interesse ist. Wenn der Gegener jedoch weniger Torchancen hat, habe ich weniger Möglichkeiten, mich zu profilieren – ich kann also nicht so viele Charismapunkte sammeln, weil ich weniger Bälle abwehren muss. Irgendwo gräbt man sich hier sein eigenes Grab…

Rein formal betrachtet, geht die Präsentation insgesamt in Ordnung. Die Grafik ist weitestgehend ansehnlich gestaltet. Die Tabellen sind übersichtlich und die Benutzerführung ist recht intuitiv. Einzig die Option, den Strategie-Modus zu Aktivieren ist etwas versteckt. Leider vermisse ich, trotz Online-Hilfe, eine »richtige« Bedienungsanleitung in Form eines separaten Dokuments.

Vom Sound darf man keine Wunder erwarten. Er beschränkt sich auf ein paar Klickgeräusche, einen etwas kurz geratenen Atmo-Loop, der bei Spielen abgespielt wird und zumindest akustisch für Stadionkulisse sorgt, sowie eine handvoll Musiktracks. Der Spielstand darf nach jedem Spiel gesichert werden.

Fazit:

Dieses Spiel ist im Prinzip so eine Art Tamagotchi für Freunde des runden Leders. Es könnte den Untertitel »Wir züchten uns einen Torwart« tragen. Das Spiel ist nicht besonders komplex und somit eher für jüngere Spieler geeignet. Die wiederum dürften nicht des Englischen mächtig sein, und dies ist zum Verständnis des Spiels nicht unwichtig. Mir persönlich hat das Game leider nicht geholfen, meine Aversionen gegen den Fußball zu überwinden. Ich bin regelmäßig vor dem Mac eingeschlafen.

Verfügbarkeit

Zu haben ist das Produkt bei Winterwolves.

Bilder (klicken für mehr)

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