Bildungsreise, einmal anders

von Harald Haeusle, 7. August 2009 Ich liebe Spanien! Nicht nur die Palmen, das Wetter und das unendlich erscheinende Meer sind es, die mich in Spanien eine zweite Heimat finden ließen, auch das Temperament und die Lebensphilosophie der Menschen haben es mir angetan. Gerade in Zeiten wie diesen, wo Computerspieler, Pädophile und was sonst eben unangenehm auffällt wie bei einer kühlen Sangria gerne in einem Topf gemischt und auf Eis gelegt werden, schaue ich fast neidisch auf die sonnenverwöhnten Iberianer. Dabei wollte ich es bei meinem letzten Aufenthalt doch einmal genau wissen, wie das denn so ist mit den blutdurchtränkten Computerspielen, welchen Stellenwert der Jugendschutz hat, und da wir gerade dabei sind, wie lieb sie sich haben – Apple und die Spanier.

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Bereits während der Busfahrt durch das mit Touristen übervölkerte Alicante treffe ich auf die ersten Nintendo DS, Playstation Portable und natürlich iPhone-Spieler. Zu fragen, was Spaniens mobile Zocker so daddeln, brauch ich nicht. Kopfhörer sind anscheinend nicht so beliebt, was die Fahrt zum Einkaufscenter zum lustigen Ratespiel werden lässt. Links von mir jagt Sonic nach Ringen, während vor mir ein schnittiger Flitzer auf Apples tragbarem Telefon seinen Weg durch die Nacht sucht. Und hinter mir bemüht sich ein Junge lautstark, seine „Barças“ auf der PSP zum Sieg zu führen. Einige Tore und Blechschäden später stehe ich vor dem Gameshop. Dort treffe ich Isabel, eine quirlige Verkäuferin mit einem wachen Blick. Auf meine Frage, welchen Stellenwert die „harten“ Spiele hier beim Verkauf haben, winkt sie ab. „GTA und andere Mafiaspiele laufen ganz gut, aber Nintendo dominiert klar den Markt.“ Und schon komme ich zur Sache. Wie das denn so ist, mit dem Jugendschutz und so, will ich wissen. Sie stutzt und überlegt. „Diese Alterskennzeichnungen sind ja nur Empfehlungen. Kommt also ein 12-jähriger in den Laden, um sich beispielsweise GTA IV zu holen, muss ich es ihm verkaufen. Ist dagegen ein Elternteil dabei, informiere ich schon, worum es in dem Spiel geht. Sehr oft lassen die Eltern dann das Spiel im Laden stehen.“ Isabels Blick wird härter. Ganz einverstanden scheint sie mit diesem System nicht. „Auf der anderen Seite“, legt sie zögernd nach, „ist es schon gut so. Schließlich ist das einzig und allein die Sache der Eltern.“ Ich erzähle Isabel von der aktuellen Situation in Deutschland, dem Amoklauf und die darauf entbrannten Diskussionen. Sie schüttelt den Kopf. „So etwas wäre hier undenkbar! Wenn Kinder nicht genügend Aufmerksamkeit von ihren Eltern bekommen, ist das ein ganz anderes Problem. Was haben Computerspiele damit zu tun?“

Mein nächstes Ziel ist der nahegelegene Media-Markt. Und wieder erlebe ich eine Überraschung. Bereits am Eingang fallen die großen Werbeplakate von Apple ins Auge. Aber es kommt noch dicker! Apple selbst unterhält im Geschäft einen umfangreichen „Shop-im-Shop“, und der Verkäufer hat alle Hände voll zu tun. „Die Leute haben die Nase voll von Windows und wechseln haufenweise.“ Insgesamt habe sich der Marktanteil in den letzten Jahren enorm gesteigert und Apple forciert das mit einer auffälligen Präsenz. Dennoch werden Titel wie „Final Cut Pro“ nicht lokalisiert. „Und was ist mit den Spielen auf dem Mac?“ will ich wissen. Der Verkäufer grinst. „Neulich war einer hier, der sich extra für World of Warcraft einen iMac 24 Zoll zugelegt hat. Aber das sind Ausnahmen. Sonst spielen die Leute am liebsten auf den Konsolen oder eben auf Windows.“ Und dann verlässt mich der sichtlich erschöpfte Berater wieder, denn ein paar Meter weiter wartet ein Paar auf ihren neuen MacBook Pro.

Schließlich besuche ich zuhause noch einen Nachbarjungen. José ist der Sohn einer argentinischen Einwandererfamilie. Das Geld ist knapp und doch hängt José mit Freuden vor der Playstation 2 oder Nintendo DS. „Kein Problem“, meint er. „Überall bekommt man Modchips und die Spiele krieg ich von meinen Freunden.“ Dennoch bleibt José meistens bei Pro Evolution Soccer 2008 hängen. „Ballern ist nicht so toll. Das kostet zu viel Zeit und abends spiel ich eh lieber mit meinen Freunden Fußball.“ Kein Wunder, denn sobald die Hitze nachlässt, treffen sich jung und alt auf dem inmitten von Wohnhäusern eingebetteten Bolzplatz. Der dient den Leuten hier zum Feiern, zum Beten und natürlich auch zum Kicken. Aber egal was gespielt wird, die Menschen hier machen es gemeinsam und im Freien. Aber vielleicht liegt auch genau hier das Geheimnis. Das enge Miteinander und der Respekt, den die Menschen schon von Kindesalter leben und erleben. Natürlich ist auch Gewalt in Spanien ein Thema. Und nach wie vor vergnügen sich die Menschen beim Stierkampf. Doch spürt man überall die Offenheit der Leute. Egal ob im Park, an der Bushaltestelle oder bei einem Konzert. Es dauert nicht lange, bis mich jemand anspricht, freundlich anlächelt oder einfach etwas fragt. Ich gebe zu, dass mir der Wechsel in „unsere“ Welt in Deutschland immer etwas schwer fällt und jedes Mal frage ich mich, was bei uns schief läuft. Doch was es auch ist, kein Verbot und kein Gesetz kann diese stetig zunehmenden Defizite in unserer Gesellschaft aufheben.

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