Osmos

Neulich habe ich mal wieder in Quake 4 (Testbericht) reingeschaut und mich mit einem öffentlichen Multiplayer-Server verbunden. Kaum war ich online, da war ich auch schon das erste Mal tot. Ach ja, so ging das: Wild durch die Gegend hüpfen rettet einem die Haut. Nie stehen bleiben, die Maps kennen, immer bewegen, die Maps kennen, die Maps kennen und hüpfen, hüpfen, hüpfen. Ich duckte mich hinter eine unzureichende Deckung, während die Gegner mich mit einem Hagel aus futuristischen Geschossen eindeckten. Ich sprang auf und wurde von einer Salve Raketen erwischt.

Meine Hände wurden schwitzig und glitschig, die Maus rutschte unkontrolliert hin und her, schon wieder tot. Am Ende der Runde war ich 16-faches Opfer ohne einen einzigen eigenen Treffer. Ich bin mit Ende 30 einfach zu alt für diese Art von Spielen.

Auf der Suche nach einem meinem greisen Alter angemessenen Spiel stolpere ich im Mac App Store über Osmos von Hemisphere Games, das groß auf der Startseite angekündigt wurde. Zum Zeitpunkt dieses Tests (Anfang Februar 2011) liegt das Spiel auf Platz 12 der umsatzstärksten Spiele im Mac App Store – was bei seinem geringen Preis bedeutet, dass echt viele Einheiten über den virtuellen Ladentisch gehen müssen. Die Grafik sieht sehr hübsch aus, und darum kaufe ich mir das Ding. Gottlob bin ich ja nicht auf Actionspiele fixiert.

Dann starte ich Osmos das erste Mal. Und setze mich erst einmal zurück und schaue einfach nur. Quallenartige, körperlose Dinge schweben zu ganz sanften, melodischen, sphärischen Klängen über den dunkelblauen Bildschirm. „Wie wunderschön“, denke ich noch, bevor mir klar wird, dass ich mich gerade mal im Hauptmenü befinde.

Zwei Tutorial-Level gibt es, und ich bin schon hin und weg. Diese Schönheit! Dieser Sound! Ich bin im Zen-Garten der Unterhaltungssoftware gelandet!

Aber zunächst einmal zur Sache. Der Begriff Osmos kommt augenscheinig von Osmose. Darunter versteht man in den Naturwissenschaften den gerichteten Fluss von Molekülen durch eine semipermeable (auch: selektiv permeable) Membran. Klingt schlau, was? Habe ich aber nur aus Wikipedia geklaut. Um diesen molekularen Fluss geht es jedenfalls in unserem Spiel. Das quallenartige, wunderschöne Wesen ist eine Zelle, die sich in einer geschlossenen Umwelt mit anderen Zellen befindet. Kleinere Zellen leuchten blau und können von uns gefressen werden, größere hingegen haben einen roten Kern und fressen uns. Oder saugen uns auf. Oder absorbieren uns osmotisch oder was weiß ich, wie das richtig heißt. Ich bin ja kein Biochemiker.

Unsere Fresszelle bekommt zu Beginn eines jeden Levels eine Aufgabe, etwa „Werde riesig“ oder „Werde die Größte“ oder „Friss eine bestimmte Zelle“. Die Jagd beginnt. Man bewegt sich, indem man auf der einen Seite per Mausklick Materie ausstößt und so in die entgegengesetzte Richtung lostreibt. So lässt es sich hervorragend steuern und – mit Gegenschub – auch abbremsen. Das Problem: Je mehr wir steuern und Schub geben, desto mehr Materie stoßen wir aus, und desto kleiner wird unsere Zelle. Und desto gefährlicher wird die Umwelt, denn unsere ausgestoßene Materie wird durch die anderen Zellen aufgefangen und absorbiert, wodurch sie wiederum wachsen und uns gefährlich werden.

Gleichzeitig verhalten sich die anderen Zellen wie wir selbst: Kollidiert eine mit einer kleineren Zelle, frisst sie sie und wächst, kollidiert sie mit einer größeren, wird sie selbst gefressen und der Sieger der Kollision wächst. Auch so eine Art Streifschuss gibt es, wenn eine Zelle eine andere nur schrammt – dann verliert sie Materie, wird aber nicht vernichtet. So verändert sich die Petrischale, in der wir schwimmen, zusehends.

Mit Hektik kommt man bei Osmos nicht weit. Ruhe und Übersicht sind gefragt. Schön ist, dass man den Spielverlauf verlangsamen und beschleunigen kann, dass man sich hereinzoomen kann, um ganz genau haarscharf an der Riesenzelle vorbeizuschlittern, und herauszoomen, um zu gucken, wo denn noch genießbare blaue Zellen sitzen.

Die Level sind anfangs recht einfach, nehmen aber steil in ihrem Schwierigkeitsgrad zu. Dafür kann man sie jederzeit wieder spielen. Nach ein paar gespielten (und bestandenen) Leveln werden neue freigeschaltet. Manche sind extrem kniffelig, weil man das Gefühl hat, aus einem Gewimmel von größeren und kleineren Zellen nicht herauszukommen. Aber irgendwann merkt man, dass bei Osmos der Impulserhaltungssatz gilt: Mit dem eigenen Materieausstoß kann man andere Zellen beeinflussen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich Osmos aus langweiligen, naturwissenschaftlichen Themen ein knackiges, eingängiges Spielprinzip macht, das schnell zu lernen und schwer zu meistern ist. Aber letztendlich ist Osmos einfach vor allem wunder-, wunderschön. Der unglaubliche, zurückhaltende Soundteppich adelt die Optik noch. Von mir gibt es eine klare Kaufempfehlung für alle, die sich zwischen zwei Runden Quake einfach mal entspannen wollen, und für alle, die in der Pause mal ihren Stresslevel senken möchten.

Für diejenigen, die das gern heimlich auf dem Klo machen möchten (oder müssen, damit der Chef nix merkt): Es gibt von Osmos sowohl eine iPhone- (Testbericht) als auch iPad-Variante. Auch das lohnt sich.

Macintosh: [appext 408054320]
iPhone: [appext 382991304]
iPad: [appext 379323382]

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